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Prof.
Dr. Wolfgang Huber ist Internist und Nephrologe. Er hat
lange eine nephrologische Klinik in der Nähe Heidelbergs
geleitet und dort auch an der Universität gelehrt. Er ist
von Anbeginn der Umweltmedizinbewegung in dieser aktiv und
spielte als Gutachter eine wesentliche Rolle in den
Prozessen mit der chemischen Industrie um die Schäden durch
Holzschutzmittel. Er ist jetzt in einer Privatpraxis für
Umweltmedizin in Heidelberg tätig. |
Prof. Hubers Vortrag
konzentrierte sich auf die praktische Umsetzung des vorhandenen
Wissens über die Krankheitsmechanismen beim Chronic Fatigue Syndrom,
bei der Multiplen Chemikaliensensitivität und der Fibromyalgie im
Rahmen der Differentialdiagnostik und und Therapie dieser
Erkrankungen.
Er hat viele Patienten, die
mittellos sind, weshalb er viele der theoretisch sinnvollen
Untersuchungs- und Behandlungsverfahren nicht einsetzen kann, da sie
von den Kassen nicht bezahlt werden und zu teurer sind, um von den
Patienten finanziert werden zu können. Deshalb muss er die Dinge auf
das herunterbrechen, was finanziell leistbar ist.
Ursachen und Diagnosekriterien
von Multisystemerkrankungen:
Wichtig sei es, die Problematik
der chronisch degenerative Entzündungsprozesse bei CFS, MCS und
anderen chronischen Krankheiten anzupacken. Die seien im Zentrum der
Multisystemerkrankungen, aber nicht eine Depression – die sei
allenfalls die Folge solcher Entzündungsprozesse. Eine Erhöhung der
entzündlichen Zytokine (Tumornekrose alpha und Interleukin 6, CPR
und andere) findet man auch bei anderen Erkrankungen wie
Artheroskleorse, Herzinsuffizienz, Nierenerkrankungen, entzündlichen
Darmerkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2. Auch virale
Erkrankungen und Erkrankungen durch Umweltgifte seien eine
physiologische Einheit, denn ebenso wie CFS, MCS, Fibromyalgie und
Reizdarmsyndrom gehören sie in die Kategorie chronisch degenerativer
Entzündungsprozesse. Man findet bei allen eine vermehrte
Inflammation und verminderte Abwehrfunktion.
Die überwiegenden Ursachen sind
Viren, auch Retroviren, bakterielle Infektionen, aber auch
chronische Einwirkungen von Chemikalien wie Holzschutzmittel,
Lindan, Herbizide, Dioxine, Formaldehyd, PCB, Pyrethroide oder
Schimmelpilze. Auch chronische Entzündungsprozesse wie Granulome und
chronische Zahnfleischentzündungen sind zu beachten. Manchmal sind
sie eine Begleiterkrankung, manchmal die Ursache. Nicht zu vergessen
sind auch ein HWS-Schleudertrauma, körperliche Traumata,
Kohlenmonoxidvergiftung, Organophosphate andere Umweltgifte oder
schwerer psychologischer Stress. Chemikalien mit hoher
Speicherfähigkeit lösen u.U. Autoimmunprozesse aus.
Bild von Susanne mit der Treppe!
Prof. Huber zählte nochmals die
Charakteristika und die Diagnosekriterien des Chronic Fatigue
Syndroms sowie der Multiplen Chemikaliensensitivität 1999 auf.
Praktische Fragen der Diagnose
und Therapie
Grundsätzlich gilt für alle
Multisystemerkrankungen, dass man die chronischen Entzündungen
angehen muss. Auch wenn hier oft keine ursächliche Heilung möglich
ist, kann man durchaus Verbesserungen erreichen, zumindest für die
Mehrzahl der Patienten.Das Verhältnis von pro- und antientzündlichen
Zytokinen bestimme die individuelle Entzündungsneigung. Systemische
Entzündungsprozesse sind nicht auf das Gewebe beschränkt, sondern
bringen Endothelveränderungen mit sich, also das Gefäßsystem wird
beeinträchtigt. Man kann die Entzündung ganz einfach und
kostengünstig z.B. über TNF-alpha als Indikator des
Endothelprozesses diagnostizieren.
Huber kritisierte die
Psychiatrisierung in der Rentenfrage und diejenigen, die sagen, man
könne das nicht objektivieren. Das sei einfach nicht wahr, aber
dennoch setzten sich Gutachter und Versicherungen immer wieder
darüber hinweg.
Die diagnostische Objektivierung
von CFS, MCS und FMS ist über verschiedene Messparameter möglich.
Dazu gehören z.B. die Dysfunktion der Mitochondrien mit einer
Verminderung des Energiestoffwechsels und der ATP-Produktion, die
Immunfunktion gemessen über die Aktivierung proentzündlicher
Zytokine (beides relativ kostengünstig), der oxidativer Stress in
Form von Stickoxid und Peroxynitrit, Untersuchungen des Gehirns mit
PET oder SPECT (was sehr teuer ist, aber hier sieht man sehr oft
Veränderungen kognitive Leistungsminderung und Perfusionsminderungen
im Gehirn), die orthostatische Dysregulation und die erhöhte
Durchlässigkeit des Darmes mit der Folge von Lebensmittelallergien
und Unverträglichkeiten. Er verstehe gerade als Naturwissenschaftler
nicht, warum man diese Fakten immer noch ignoriere, aber die
Widerstände seien da sehr groß.
Zur Differentialdiagnostik
zwischen CFS, MCS und FMS
Die Unterscheidungsmöglichkeit
sei oft schwierig, aber er untersucht die folgenden Parameter, da
sich diese typischerweise unterscheiden würden.
Bei CFS: TNF alpha erhöht,
Interferon gamma nicht immer erhöht, nur manchmal. Serotonin im
Serum und im Urin deutlich erniedrigt, Autoantikörper deutlich
erhöht, Virusdiagnostik IgG-Antikörper sind auch wichtig für
Bewertung der Erkrankung.
Bei MCS: hier findet er seltener
Virusinfektionen, die proentzündlichen Zytokine sind erhöht:
TNF-alpha, verschiedene Interleukine und Interferon-gamma.
Bei FMS: Autoantikörper sind
erhöht, weniger das TNF-alpha, die Virusdiagnostik ist wichtig.
Zusätzlich macht er eine
Bestimmung des C-reaktiven Proteins, das Entzündungsprozesse
anzeigt, und eine ATP-Messung zur Bestimmung einer möglichen
mitochondrialen Dysfunktion.
Grundsätzlich verfolgt er aus
Gründen der Wirtschaftlichkeit eine Stufendiagnostik und achtet
darauf, welche Parameter unbedingt gemessen werden müssen und welche
nicht.
ATP ist ein wichtiger
diagnostischer Marker. Hohe Serum-TNF-alpha-Spiegel gehen immer mit
vermindertem ATP als Hinweis auf eine Mitochondrienstörung
einher.Das hat das Institut für medizinische Diagnostik von Prof.
von Baehr kürzlich an 455 Patienten nachgewiesen.
Entzündungsprozesse führen immer zu einer Verschlechterung der
ATP-Bildung und einer zellulären Hypoxie, also einem intrazellulären
Sauerstoffmangel. Gleichzeitig ist die ATP-Bildung ein Indikator für
therapeutischen Erfolg.
Das Ziel jeder Therapie ist
deshalb, mit Hilfe einer antioxidativen Therapie die
Entzündungsvorgänge zu reduzieren. Dafür gibt es kein Patentrezept,
weshalb dies in jedem Einzelfall ausprobiert werden muss, was ein
Patient verträgt. Er wisse auch nicht, warum der eine Patient auf
Behandlung anspricht und ein anderer nicht. Auch in der Behandlung
versucht er, möglichst wirtschaftlich vorzugehen.
Oxidativer Stress führt zu einem
Verlust des Spannungspotentials (also zwischen intra- und
extrazellulärer Spannung) der Zellen. Sie beträgt normalerweise etwa
0,5Volt, aber wenn sich dieses Spannungspotential reduziert, sind
die Mitochondrien weniger funktionsfähig. Energieverbrauch bedeutet
immer auch Verlust von Schwefel, weil dieser im Stoffwechsel
gebraucht wird. Das weiß man auch aus der HIV-Forschung; Patienten
im Stadium III verlieren insbesondere Cystein. Man kann diesen
Schwefelverlust oder den Verlust der essentiellen Aminosäure Cystein
z.B. mit Acetylcystein ausgleichen. Es ist eine Vorstufe von
Glutathion, einem schwefelhaltigen Tripeptid und sorgt für
Gleichgewicht von intra- und extrazellulärer Spannung.
Alpha-Liponsäure ist das zweite
Mittel, mit dem Huber arbeitet. Es ist ein schwefelhaltiges
Antioxidants, rezudiert Radikale, das oxidierte Glutathion zu
reduziertem Gluthation und komplexiert Metalle. Das sind die beiden
Schlüsselsubstanzen im therapeutischen Einsatz. Außerdem verwendet
er Zeolith, ein natürliches mikroporöses Gestein vulkanischen
Ursprungs, das Schwermetalle adsorbieren kann, freie Radikale
abfängt und Toxine bindet.
Weiterhin hält er für wichtig den
Ausgleich des Mangels an Vitamin D-3. L-Carnithin setzt er ein, weil
dieses den Immunstatus verbessert und die Lymphozytenproliferation
anregt, ebenso wie die Phagocytoseaktivität der Granulocyten und
Monocyten. Hinzu kommen Vitamin B-1, B-6 und B-12 sowie Q10. Diese
Substanzen setzt er je nach therapeutischem Effekt variabel ein. Er
betont abschließend, dass der Therapieerfolg sehr unterschiedlich
sei, dass man Geduld brauche und dass sich ein Therapieerfolg
manchmal erst nach zwei Jahren einstelle.
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