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    Artikel des Monats Januar 2014 Teil 1

     

    Interview mit dem Kinderarzt Dr. Nigel Speight

    Wissenschaft für die Patienten

    Seminar 28 der ME/CVS Vereniging (Niederlande)

    Vorbemerkung:

    Dr. Nigel Speight hat etwa 30 Jahre Erfahrung in der Behandlung von Kindern mit ME und war als Facharzt für Pädiatrie für das University Hospital von North Durham in Großbritannien tätig. Er ist immer noch ein leidenschaftlicher Fürsprecher für Kinder mit ME, die von Sozialbehörden mit der Herausnahme aus ihren Familien bedroht werden. Abgesehen von vielen Vorträgen, die er überall hielt, spielte er eine wichtige Rolle in dem Dokumentarfilm Voices from the Shadows.

    Das Interview kann hier angesehen werden: http://youtu.be/XcRZo1vO53c

    Wenn Sie zu diesem Interview Fragen haben, bitte schreiben Sie diese an diese E-Mail-Adresse: wvp@me-cvsvereniging.nl

    Es ist gestattet, alle Transkripte des Projektes Wetenschap voor Patiënten (Wissenschaft für die Patienten) weiterzuverbreiten, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, dass die Quelle klar und deutlich angegeben wird: ME/cvs Vereniging, http://www.me-cvsvereniging.nl/

    Übersetzung ins Deutsche: Regina Clos, deutscher Text hier als pdf-Datei, englisches Original hier als pdf-Datei

    Interview mit Dr. Nigel Speight, Kinderarzt. Ausgestrahlt am 7. Januar 2014

    Mein Name ist Rob Wijbenga. Ich bin Vorsitzender der ME/CFS-Vereinigung in den Niederlanden, und ich bin ein Vertreter für das Projekt Wissenschaft für die Patienten. In dieser Funktion bin ich hier, um mit dem Kinderarzt Nigel Speight zu sprechen, der freundlicherweise bereit war, an diesem Projekt teilzunehmen und für sechs kurze Interviews zu unterschiedlichen Aspekten von Fragen der Patienten zu ME/CFS zur Verfügung zu stehen.

    Willkommen, Dr. Speight, und herzlichen Dank für Ihre Teilnahme. Ich glaube, Sie waren in eine ganze Reihe von Fällen involviert, bei denen Kinder mit ME von sozialen Diensten bedroht wurden, aus ihren Familien herausgerissen zu werden. Können Sie uns etwas hierüber berichten?

    Also, das ist ein sehr schmerzliches Gebiet. Es ist eines der unerfreulichsten Dinge, die ich in meiner gesamten medizinischen Laufbahn erlebt habe. Es ist etwas, das ich überall auf den britischen Inseln gesehen habe. Ich hatte Fälle, die quer über die gesamte Landkarte von Großbritannien verstreut waren. Und sie scheinen alle ähnliche Ursachen zu haben, und eine Menge davon resultiert aus dem schlichten Versagen der Ärzte, Patienten zu schützen, indem sie bei ihnen ME/CFS diagnostizieren. Das führt dann dazu, dass sie in Gefahr kommen, aufgrund anderslautender Erklärungen verfolgt zu werden.

    Ich habe über dreißig Fälle gehabt, die alle zu Kinderschutzverfahren geführt haben und bei denen es Fallkonferenzen mit der Drohung der Herausnahme aus den Familien gab. Glücklicherweise haben wir es in den meisten Fällen durch frühzeitige Intervention geschafft, das abzuwenden, indem wir ein zweites Gutachten erstellten. Aber bei einer ganzen Reihe gab es die ganz reale Drohung, die Kinder aus den Familien zu nehmen, und ein oder zwei Kinder haben tatsächlich einige Zeit außerhalb der Familien leben müssen – gegen deren Willen. Und zwar aufgrund von Gerichtsprozessen.

    Können Sie uns über einen speziellen Fall berichten, der dieses Problem aufzeigt?

    Ja, da gibt es einen aus der Gegend der Midlands. Wir nennen sie aus Gründen der Schweigepflicht Tiffany, aber das ist nicht ihr richtiger Name. Ein hübsches Mädchen, lebendig, talentiert, musisch begabt, und sie war vollkommen gesund, bis sie im Alter von 13 von einem ziemlich akuten Beginn der ME niedergestreckt wurde. Und sie war so krank, dass ihre Mutter sie zu Krankenhausärzten zwecks Einweisung in eine Klinik bringen musste. Sie hat das ganz offen und voller Vertrauen getan, und sobald sie im Krankenhaus war, kam sie unter die Aufsicht eines Kinderarztes, der an ME glaubte, und alles schien in Ordnung.

    Aber allmählich hat in diesem Fall ein multidisziplinäres Team das Behandlungsmanagement übernommen, und dazu gehörte auch ein Kinderpsychiater, eine Beschäftigungstherapeutin und eine Physiotherapeutin. Und sie haben wöchentliche Treffen eingerichtet, bei denen dem Kind Ziele gesetzt wurden und zu denen sie diese Ziele erreichen musste. Und sie wurde zu diesen Treffen in einem Rollstuhl mitgenommen, ihr Kopf hing herunter, und sie musste diese Treffen im Sitzen durchstehen und zustimmen, dass sie es versuchen würde, die Ziele innerhalb der nächsten Woche zu erreichen.

    Sie war drei Monate im Krankenhaus, und es ging ihr trotz Mitarbeit ständig schlechter. Die Ärzte und das medizinische Personal ertrugen diese Erfolglosigkeit hinsichtlich einer Besserung nicht, und dann haben sie die Mutter dafür verantwortlich gemacht. Daraufhin haben sie die Mutter erst abends um 18.00 zu dem Kind gelassen. So hatte die Physiotherapeutin sie den ganzen Tag. Die Schwestern haben das Essen außerhalb der Reichweite des Kindes gestellt, so dass es kämpfen musste, um an sein Essen zu kommen. Wann immer die Mutter kam, hat sie ihr Kind demoralisiert und in Tränen vorgefunden.

    In der Folgezeit ging es dem Kind immer schlechter, obwohl die Besuchszeit der Mutter eingeschränkt worden war. Der erste Kinderarzt sagte: „Sie können sie genauso gut mit nachhause nehmen.“ Und so hat die Mutter sie mit heimgenommen.

    Und dann kam der Hausarzt und hat sie intensiven 30-minütigen Interviews unterzogen, um ihren psychischen Zustand herauszufinden und warum sie in diesem Zustand war. Das Mädchen sträubte sich dagegen, mit diesem Arzt zu reden, und er brachte sie zum Weinen. Der Hausarzt hat dann die Sozialbehörden informiert, dass er die Verantwortung nicht übernehmen könne. Und dann kamen die Sozialarbeiter zusammen mit der Polizei und haben dieses Mädchen erneut von ihrer Mutter weggenommen und behandelten dies dann als einen Fall von Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Die Mutter durfte das Kind nur noch in Anwesenheit eines Sozialarbeiters sehen. Und es wurde geplant, sie für sechs Monate in eine Pflegefamilie zu geben. Das Ziel war, dass es ihr dann besser gehen würde, weil es doch die Mutter sei, die sie krank machen würde.

    Ich wurde von einer unabhängigen Sozialarbeiterin eingeschaltet, und ich habe dieses Mädchen kennengelernt, das vollkommen demoralisiert war und sich damit abgefunden hatte, dass es in eine Pflegefamilie müsse. Und ich habe dann einfach nur die Meinung vertreten, dass deren Umgang mit ME kein Beweis wäre, dass er helfen würde, und dass die Mutter nicht schuld sei. Glücklicherweise haben wir es geschafft, dass das Mädchen nachhause entlassen wurde, wo sie sich langsam aber stetig erholte. Sie hat jetzt ihren Uniabschluss gemacht. Also, das hat ein glückliches Ende genommen, aber auf dem Weg dahin hat es eine Menge unnötiges Elend gegeben. Und das war ein ziemlich typischer Fall, der alles in allem ziemlich lange gedauert hat.

    Das war, so kann man sagen, eine gute Intervention.

    Also, das ist der Vorteil des unabhängigen Sozialarbeitersystems. Im Laufe der Gerichtsverfahren gibt es oft die Möglichkeit für Zweitgutachten und den Versuch, sich gegen diese Art der Verfahren zur Wehr zu setzen. Ich möchte sagen, dass ich bei 28 von 30 Fällen, mit denen ich zu tun hatte, erfolgreich war. Aber die zwei, bei denen ich verloren habe, waren sehr unerfreulich.

    Das ist großartig. Wissen Sie von weiteren Fällen, um die sich andere Kinderärzte gekümmert haben?

    Ja, ich hatte einen Fall, der ähnlich war, aber in gewisser Weise auch anders, und in dem der Einfluss der Psychiatrie größer war. Das war wieder ein Fall von einem Mädchen von 13 oder 14 Jahren, die in Schottland lebte und die von einer Kinderärztin betreut wurde, die ganz sicher ME diagnostiziert hatte. Sie war moderat bis schwer erkrankt. Aber dann ging es ihr schlechter, und das ist einer der Risikofaktoren. Ein schwerer Fall von ME wird von den Ärzten nicht ertragen.

    Die Kinderärztin hat die Geduld verloren und überwies sie in die Psychiatrie, wo man eine andere Diagnose stellte, diesmal nicht das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, sondern etwas, das sie ‘Pervasive Refusal Syndrome’ (Durchgängiges Verweigerungssyndrom) nennen. Es war kein Fall von ‘Pervasive Refusal Syndrome’. Sie arbeitete mit, sie war nur einfach sehr krank.

    Und zu dem Zeitpunkt, als ich schließlich gerufen wurde, um zu intervenieren, fand ich sie in einer psychiatrischen Abteilung, in einer fötalen Position gekrümmt, mit Hilfe einer Nasensonde ernährt und sehr, sehr empfindlich gegenüber Licht und Geräuschen. Und jedesmal, wenn die Schwestern die Tür schlossen, fuhr ein Beben durch den Körper des Mädchens. Aber der Psychiater erlaubte ihr nicht, Ohrenstöpsel zu tragen, weil das ihr Rückzugsgefühl nur verstärken würde. Und der Psychiater bestand darauf, mit lauter Stimme auf sie einzureden und dass dies der Weg sei, auf dem er sie von ihrem ‘Pervasive Refusal Syndrome’ heilen würden. Ich möchte hier sagen, dass der Gerichtsbeschluss eine Woche später aufgehoben wurde und sie in ein einfühlsames Pflegeheim ging, wo man ihr ermöglichte, eine langsame aber stetige Besserung zu erreichen.

    Aber warum man, wenn man ME hat, zu einer rein psychiatrischen Diagnose kommt, einfach nur, weil man von einem Kinderarzt einem Psychiater übergeben wird, das verstehe ich nicht wirklich.

    Was glauben Sie sind die Faktoren, die zu dieser Lage der Dinge führen?

    Ich glaube, es ist einfach, die Sozialarbeiter zu beschuldigen, weil, wenn sie eingeschaltet werden erscheint das, was sie tun, so grausam, aber ich glaube, tatsächlich müssen wir die Ärzteschaft als erste beschuldigen. Es ist die Pflicht der Ärzteschaft, in der Lage zu sein, eine sichere, klare Diagnose des ME/CFS zu stellen. Und wenn sie das machen, dann sollte das ein Schutz sein. Aber in vielen Fällen, die ich gesehen habe, gab es noch nicht einmal eine Diagnose, und dann werden Kinderschutzverfahren von den Schulbehörden eingeleitet, weil die Kinder nicht zur Schule gehen können.

    Die Ärzte müssen das gleich am Anfang richtig verstehen. Die Sozialarbeiter werden das nur falsch verstehen, wenn die Ärzte das Kind nicht mit einer Diagnose schützen. Ich kann wohl sagen, dass ich in meinem Leben eine Menge wirklicher Misshandlung gesehen habe, und ich war bei einer Menge schwer misshandelter Kindern involviert. Und jetzt auf der anderen Seite zu sein und zu sehen, wie unschuldige Familien von den Sozialarbeitern verfolgt werden, die besser andere Kinder schützen sollten, das ist wirklich befremdlich. Ich habe einmal einen 9-jährigen Jungen gesehen, der mit einem Verfahren wegen Kindesmisshandlung bedroht wurde, und im Rahmen meiner Untersuchung fragte ich ihn nach drei Wünschen, die er habe. Das macht man, um den psychischen Zustand eines Kindes zu verstehen. Und er sagte auf so schöne Weise: „Ich wünschte, es gäbe bessere Richter und Sozialarbeiter in dieser Welt, die besser die Kinder schützen würden, die Schutz brauchen und die nicht Familien wie meiner Schwierigkeiten machen.“

    Und das war ein Kind von neun Jahren???

    Ein Kind von neun Jahren. Kinder und Narren sagen die Wahrheit.

    Man kann sagen, wenn jemand hier den Auslöser drückt und ein Verfahren zum Kinderschutz in Gang setzt, dann ist das wie ein Ozeandampfer. Das ist wie eine unaufhaltsame Gewalt. Es ist sehr schwer, das umzukehren. Sie haben einen Sozialarbeiter, der auf Kinderschutz geschult ist. Sie sind daran gewöhnt, dass sie sich gegenüber Eltern durchsetzen müssen, die ihre Unschuld beteuern, und sie machen einfach weiter. Je weiter das Verfahren fortschreitet, desto mehr vertiefen sich die Fachleute da hinein und können sich nicht leisten, ihr Gesicht zu verlieren oder zugeben, dass sie sich geirrt haben. Ich muss allerdings sagen, dass ich ein wunderbares Erlebnis mit einer Sozialarbeiterin hatte, die vollkommen verwandelt war, nachdem sie den Film „Voices from the Shadows“ gesehen hatte, in dem diese Probleme dargestellt werden, so dass sie eine Fürsprecherin für diese Familie wurde, die Diagnose des Psychiaters von Kindesmisshandlung ablehnte und der Familie half, sich weiterem Druck zu widersetzen. Dieser Film hat hier also sehr viel Gutes bewirkt.

    Glücklicherweise gibt es Fälle wie diesen.

    Es gibt bei den meisten Fällen nicht viel unabhängiges Denken. Es gibt eine Art geheimes Einverständnis, wenn sich die gesamte Fallkonferenz zusammengesetzt hat und als Ganze in der gleichen Richtung entschieden hat. Sie fühlen sich dann alle gegenseitig gestützt.

    Und Sie sehen keine Entwicklung hin zum Besseren in diesem Land?

    Ich habe drei Fälle, in denen das momentan so läuft, und das ist nicht gut.

    Wie können Sie das Schauspiel von ansonsten fürsorglichen Fachleuten erklären, die das begehen, was Sie als Kindesmisshandlung durch Fachleute beschreiben?

    Dr. Leonard Jason hat als Sozialpsychologe sehr scharfsinnig gesagt, dass Fachleute als Gruppe Grausamkeiten begehen können, die sie als Individuen nicht in der Lage wären zu begehen. Aber irgendwie erlaubt ihnen ihre Art der Selbstgerechtigkeit einer eindeutigen Fallkonferenz, bei der alle übereinstimmen, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzumachen. Ich sehne mich immer danach, dass da ein kleiner Junge sei, der sagt „Der Kaiser ist nackt!“, aber es mangelt im Verlauf eines solchen Verfahrens an unabhängigem Denken. Deshalb ist es sehr schwer, das Verfahren umzukehren, wenn es erst einmal losgegangen ist.

    Ich bin nur erstaunt darüber, wie wenige Ärzte die Diagnose sicher ME/CFS stellen können und die Kinder beschützen. Ich muss sagen, dass ich nur die schlimmen Fälle sehe. Vielleicht werden ja viele Kinder tatsächlich beschützt.

    Die Pädagogen stehen unter Druck, die Erfüllung der Schulpflicht zu gewährleisten. Deshalb – wenn Kinder nicht durch eine Diagnose geschützt werden, dann setzen sie das Verfahren in Gang. Manchmal denke ich, dass die Sozialarbeiter, die im Kinderschutz beschäftigt sind und mit diesen unschuldigen Familien zu tun haben, erleichtert sind, ein so leicht verwundbares Ziel zu haben. Weil sie meistens auf Familien treffen, mit denen der Umgang sehr schwierig ist. Und wenn ich ein Sozialarbeiter für Kinderschutz wäre, würde ich es natürlich vorziehen, mit einer achtbaren, unschuldigen Familie zusammen Tee zu trinken und mich ein oder zwei Jahre damit zu beschäftigen statt in ein Haus zu gehen, wo mir die Reifen platt gestochen werden und ich von Schäferhunden bedroht werde.

    Aber ich muss sagen, es gibt da, wenn das ganze Verfahren mal in Gang gekommen ist, in manchen der schlimmsten Fälle etwas beinahe Sadistisches. Sie müssten doch in der Lage sein, das Leid zu sehen, das sie verursachen. Und so oft versäumen die Fachleute als Gruppe es, tatsächlich mit dem Kind zu sprechen, das gewöhnlich alt genug ist, ihnen seine Meinung zu sagen und sie eines Besseren zu belehren. Und wenn man mit dem Kind redet, dann kommt es alles ganz offen heraus.

    Manchmal denke ich, wir sollten eine Dokumentation über all diese Fälle machen. Ich bin noch nicht dazu gekommen, aber wir sollten das dann den Leuten im Parlament und Kollegen und Kinderärzten geben und überall verteilen, weil es derzeit nicht besser wird.

    Sie sehen also überhaupt keine Veränderung des Verhaltens?

    Ich habe manchmal das Gefühl, es wird schlimmer

    Und dann sprechen Sie von einer Gruppe von Psychologen, die am Werk sind. Alle fühlen sich bestätigt durch die Einmütigkeit dieses Vereins.

    Ja.

    Sie sehen also unabhängige Psychologen, die von dieser Strömung mitgerissen werden?

    Ich habe einige Fälle gesehen, bei denen die Tatsache, dass die Familie die Hilfe durch einen Psychiater abgelehnt hat, zur Einleitung eines Kinderschutzverfahrens geführt hat. Die Psychiater haben sich zurückgewiesen gefühlt und haben das Kindesmissbrauchsverfahren beinahe als Rache in Gang gesetzt.

    Ich sollte erwähnen, dass es da noch einen anderen Aspekt gibt, der mehr von Seiten der Kinderärzte kommt, und das sind Ärzte, die an ihre Therapien glauben, ob es nun ansteigendes körperliches Training (Graded Exercise) oder kognitive Verhaltenstherapie ist. Und wenn es um einen schweren Fall [von ME] geht und die Familie nicht irgendwo hinfahren kann, dann werden die Familien beschuldigt, dem ärztlichen Rat nicht zu folgen. Also, Erwachsene dürfen das, aber bei Eltern, die das im Namen ihres Kindes tun, sagt der Kinderarzt sofort, sie lehnen den medizinischen Rat ab und das ist Kindesmisshandlung.

    Das ist also mehr oder weniger ein Gesetz…?

    Ja. Also, es ist der Irrglaube, dass sie wirksame Behandlungsformen zur Verfügung hätten. So oft verschlechtern diese Behandlungen, die Physiotherapie, tatsächlich den Zustand der Kinder.

    Haben Sie eine Vorstellung davon, was eine, sagen wir, neue Denkweise auslösen könnte? Welche Instrumentarien gibt es hier und jetzt, um das zu bewirken, wenn es denn überhaupt welche gibt?

    Ich habe große Probleme, mir da momentan irgendetwas vorzustellen. Derzeit geschieht tatsächlich nichts. Vielleicht wenn eine Heilmöglichkeit gefunden wird – dann werden die Ärzte ME richtig verstehen und die Sozialarbeiter würden keine Überweisungen mehr bekommen. Aber es muss etwas Dramatisches passieren. Eine andere Möglichkeit ist, dass einige Familien tatsächlich gerichtlich gegen diese Fachleute vorgehen und einen Gegenangriff starten. Aber ich glaube, die meisten von ihnen sind so geknechtet und haben Angst vor weiteren Aktionen, dass sie weit davon entfernt sind. Deshalb bin im momentan immer noch ziemlich pessimistisch.

    Vielen Dank für Ihre Teilnahme. Leute auf der ganzen Welt freuen sich auf Ihren Anteil an den Gesprächen, die wir auf unserem Youtube-Kanal senden werden. Vielen herzlichen Dank.