Brief an den Herausgeber des IACFS/ME
Bulletins
Judy A. Mikovits, PhD, Director
of Research, Whittemore Peterson Institute, Reno, Nevada
Seit der Veröffentlichung des
Science-Artikels im Oktober 2009 über das Xenotropic murine
leukemia-related virus (XMRV) bei Patienten mit Chronic Fatigue
Syndrome (CFS) (1) wurden drei Papiere veröffentlicht, in denen nur
mit Hilfe von Polymerasekettenreaktion (PCR) nach dem XMRV gesucht
wurde und bei denen der Erreger nicht gefunden werden konnte (2-4).
Da diese Papiere die Frage aufgeworfen haben, ob XMRV bei
CFS-Patienten überhaupt vorhanden ist, möchten wir hier die genauen
Methoden dokumentieren, die wir eingesetzt haben, um das XMRV aus
den Blutproben der Patienten zu vervielfältigen. Wir möchten den
Forschern dringend empfehlen, sich nicht nur auf eine DNA-PCR an
nicht aktivierten mononukleären Zellen des peripheren Blutes (PBMCs)
zu verlassen und bieten unsere Hilfe an, wenn diese nötig ist.
Wie kommt es zu Berichten über
negative PCR-Studien?
Die erste Möglichkeit ist, dass
wie bei HTLV-1 und anders als bei HIV die weltweite Verbreitung des
XMRV gering ist, insbesondere in Europa, und dass chronische
Krankheiten wie CFS in verschiedenen Teilen der Welt
unterschiedliche, umgebungsabhängige Auslöser haben. Bei unserer
Arbeit, die wir nach der Veröffentlichung des Science-Papiers
durchgeführt haben, fanden wir das XMRV bei Menschen aus der ganzen
Welt, und wir denken deshalb, dass diese Erklärung unwahrscheinlich
ist. Eine zweite Möglichkeit ist, dass es mehr Sequenzvariationen
bei XMRV gibt als bislang bekannt. Sprich, aufgrund von
unterschiedlichen Stämmen kann die PCR nur dann erfolgreich
verlaufen, wenn die verwendeten Primer-Sequenzen die passenden für
den jeweils spezifischen Stamm sind. Die für die PCR verwendeten
Sequenzen stammen jedoch im Allgemeinen von konservierten Regionen
des viralen Genoms, so dass diese Erklärung ebenfalls
unwahrscheinlich ist. Die Replikationsrate des XMRV könnte sehr
niedrig sein und/oder die Werte könnten bei ein und demselben
Menschen im Laufe der Zeit schwanken. Diese Erklärung könnte auf
einzelne Individuen zutreffen, aber es ist unwahrscheinlich, dass
sie auf eine große Zahl von Personen zutrifft, wie sie in den drei
negativen Studien untersucht wurde. Wenn
jedoch eine der letzten drei Möglichkeiten zuträfe, könnte ein
einziger Durchlauf der PCR auf die aus PBMCs isolierter DNA, bei der
Primer auf der Basis veröffentlichter Sequenzen eingesetzt werden,
bei der wiederum hochspezifische PCR auf der Grundlage einer Sequenz
eines einzigen molekularen Klons (VP62) verwendet wurde, dazu
führen, dass das XMRV nicht vermehrt wird, selbst wenn die
untersuchte Person infiziert ist.
Eine vierte
Erklärung wäre, dass die mononukleären Zellen des peripheren Blutes
nicht das Hauptreservoir für das Virus sind.
Man
sollte bedenken, dass bei einer frischen HIV-Infektion eine PCR der
mononukleären Zellen des peripheren Blutes das Virus nicht entdecken
wird, da sich das Reservoir in den Makrophagen befindet.
Erst
später werden die CD4-Zellen infiziert und erst dann wird die PCR
des peripheren Blutes positiv.
Aus in
vitro-Studien wissen wir etwas über den Tropismus des XMRV (Tropismus
ist die Fähigkeit eines
Virus, eine bestimmte Sorte von Zellen oder bestimmte Gewebe zu
infizieren und sich dort zu vermehren, d.Ü.), bis jetzt wurde jedoch
noch keine vollständige Studie über den Tropismus in vivo
durchgeführt.
Es gibt weitere mögliche
Erklärungen für die unterschiedlichen Ergebnisse zwischen der
Lombardi-Studie und den nur mit PCR durchgeführten Studien, die
gegenwärtig untersucht werden.
Trotz der derzeitigen Annahme,
dass die PCR alle Fragen beantworten könnte, beruht eine solche
Annahme auf schwerwiegenden Fehlern, und die Studien, in denen nur
PCR verwendet wurde, werden selten ohne weitere, stützende Daten
veröffentlicht. Aus diesem Grund wurden bei dem Science-Papier
mehrere andere Biotechnologien für die Feststellung eingesetzt, dass
XMRV ein infektiöses Retrovirus und ein Humanpathogen ist, das in
Verbindung mit Menschen mit CFS gebracht werden kann. Man sollte
beachten, dass die Frage, ob XMRV das CFS „verursacht“, in dem
Science-Papier nicht diskutiert wurde.
Aufgrund dieser Fragen und
Probleme beschreiben wir hier die Methoden, die wir und andere
Froscher derzeit einsetzen, um auf reproduzierbare Weise das XMRV zu
bestimmen. Weil wir die technischen Informationen genau vermitteln
wollen, ist der folgende Text sehr technisch und möglicherweise für
Kliniker etwas schwierig. Wir bieten nochmals jede uns nur mögliche
Hilfe an, um diese Methoden zu besprechen. (...)
Den
weiteren Text, in dem sie detailliert die folgenden Punkte abhandelt, finden Sie
hier bzw.
hier.
AMPLIFICATION METHODS FOR
XMRV DETECTION:
1) REVERSE TRANSCRIPTION (RT)-[PCR]
2-VIRAL AMPLIFICATION BY
TRANSMISSION TO LNCaP (Biological amplification)
3-VIRAL ISOLATION
Judy Mikovits beendet
ihre hochtechnischen Ausführungen mit folgender Feststellung:
Insgesamt konnten wir mit den
oben aufgezählten Methoden das XMRV erfolgreich identifizieren. Wir
sind weiterhin davon überzeugt, dass es einen Zusammenhang zwischen
XMRV und CFS gibt und dass entsprechende Studien vorangehen. Wir
sind uns bewusst, dass die Forschung über die Rolle des XMRV bei
Menschen mit CFS und anderen neuro-immunologischen Krankheiten noch
am Anfang steht, und wir sehen den wachsenden Erkenntnissen auf
diesem Gebiet mit großer Spannung entgegen.
Literatur:
-
Lombardi V,
Ruscetti F, Gupta J, Pfost M, Hagen K, Peterson D, et al. Detection of an
infectious retrovirus, XMRV, in blood cells of patients with chronic fatigue
syndrome. Science. 2009;326(5952):595-89.
-
Erlwein O,
Kaye S, McClure M, Weber J, Wills G, Collier D, et al. Failure to detect the
novel XMRV in chronic fatigue syndrome. PLoS ONE. 2010;5: e8519.
doi:10.1371/journal.pone.0008519.
-
Groom H,
Boucherit V, Makinson K, Randal E, Baptista S, Hagen S, et al. Absence of
xenotropic murine leukaemia virus-related virus in UK patients with chronic
fatigue syndrome. Retrovirology. 2010;7(10 [Epub ahead of print]).
-
Kuppeveld F,
de Jong A, Lanke K, Verhaegh G, Melchers W, Swanink C, et al. Prevalence of
xenotropic murine leukaemia virus-related virus in patients with chronic
fatigue syndrome in the Netherlands: retrospective analysis of samples from
an established cohort. BMJ 2010;340(doi:10.1136/bmj.c1018).
-
Bulletin of
the IACFS/ME. 2010;18(1):3-6.
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