Kritische
Stimmen
Trotz dieser überwältigenden Aussagen in der
Studie und den Interviews mit den an ihr beteiligten Forschern gibt
es kritische Stimmen, die die Aussagekraft der Lipkin-Studie infrage stellen.
Insbesondere sind bei der Kritik an der
Lipkin-Studie im Focus die Auswahl der Probanden, von denen
angenommen wird, es seien leicht erkrankte Fälle von Chronischer
Erschöpfung, aber keine klassischen ME/CFS-Patienten, wie sie etwa
der Kanadischen oder der Internationalen Konsensdefinition
entsprechen. Eine
Gruppe dieser Kritiker schreibt unter dem Titel
"Lipkin
study review: The collapsing criteria and the positive PCR/serology
results":
"Die Kanadischen Kriterien erfordern, dass
die Erschöpfung die Aktivität eines Menschen um etwa 50%
herabsetzen. Bei die 'Lipkin'-Studie jedoch wurden Menschen in die
Studienkohorte aufgenommen, die lediglich eine 30%ige Reduzierung
ihrer funktionellen Fähigkeiten hatten - gemessen mit dem Fragebogen
der Karnofsky-Skala. Von daher sind die in der 'Lipkin'-Studie
verwendeten Kriterien nicht die Kanadischen Kriterien."
Außerdem seien die Testverfahren nicht in der Lage
gewesen, diese humanen
Gammaretroviren zu finden. Ein Problem sei hier
"...der Einsatz von EDTA-Röhrchen zur
Blutentnahme, von denen man weiß, dass sie den Test von Dr. Mikovits
um bis zu 90% hemmen."
Zudem wird hier diskutiert, ob es nicht
andere Retroviren sein könnten, nach denen in dieser Studie
nicht gesucht wurde.
Außerdem, so sagen sie, das Team Mikovits/Ruscetti
habe ja durchaus positive Proben entdeckt, und zwar mit den
Antikörpertests (Serologietests).
"Es sollte jetzt den meisten offensichtlich
geworden sein, dass Dr. Mikovits und Dr. Ruscetti in dieser
zweifelhaften Studienkohorte eine gleiche Anzahl von
Serologie-positiven Proben entdeckt haben. 9 der 147 Patienten und 9
der 146 Kontrollpersonen, also etwa 6%. Das ist eine Zahl, die man
erwarten kann, wenn wenige oder überhaupt keine ME-Patienten in der
Studienkohorte enthalten waren und wenn die Menschen in der
Allgemeinbevölkerung ebenfalls mit MRVs infiziert sein können. Zudem
sind diese Viren dafür bekannt, dass sie die Fähigkeit des
Immunsystems ausschalten, eine Immunantwort aufzubauen, und von
daher würde man auch bei den Infizierten nur wenige
Serologie-positive Proben finden."
Es seien weder die positiven Serologietests
noch die positiven PCR-Tests erwähnt worden, weder in der
Pressemitteilung noch in der Presseerklärung.
"Was in den Pressemitteilungen und in der
Pressekonferenz nicht berichtet wurde, war, dass Dr. Mikovits, Dr.
Ruscetti und Dr. Hanson die Retroviren auch mit der PCR entdeckt
haben.
'Alle gag-positiven cDNA-Proben waren
negativ auf Mäuse-IAP-Sequenzen.' (Multilab-Studie, Alter et al.
2012)
Das bedeutet, dass sie in der Lage waren, zu
zeigen, dass es Personen gab, die mit MRVs infiziert waren, und zwar
mit zwei unterschiedlichen Testmethoden.
Es ist bekannt, dass MLVs eine so
niedrigschwellige Infektion produzieren, dass eine Blutprobe nicht
immer das Virus enthält. Deshalb ist es sehr beunruhigend, dass die
Koordinatoren der Studie sich entschieden, ein Ergebnis von Dr.
Mikovits, Dr. Ruscetti und Dr. Hanson nur dann als positiv zu
akzeptieren, wenn alle Teilproben einer einzelnen Person positiv
waren."
Die abschließende Forderung der Autoren ist
deshalb die Fortsetzung der Forschung mit tatsächlichen ME-Patienten
und geeigneten Testverfahren, die in der Lage sind, MLVs zu
bestimmen:
"Um exakt zu bestimmen, wer positiv und wer
negativ auf MRVs ist, müssen jetzt Studien mit ME-Patienten [nicht
mit Fatige-Patienten, d.Ü.] und unter Einsatz von Sequenzierung der
nächsten Generation (NGS) durchgeführt werden, einem Verfahren, das
die MLVs auch unterhalb des Schwellenwerts der Entdeckung der PCR
aufspüren kann. Das nicht zu tun wäre eine mutwillige Weigerung, der
wissenschaftlichen Methode der Erforschung nachzugehen. Man sagt
uns, wir sollen der Wissenschaft vertrauen und nicht den
Wissenschaftlern. Das ist in der Tat ein guter Rat, da es unmöglich
ist, Wissenschaftlern (oder Ärzten) zu trauen, die nicht den
wissenschaftlichen Methoden nachgehen."
Sie finden den Gesamttext dieser kritischen
Analyse der Lipkin-Studie hier: http://me-advocacy.com/Lipkin_study_review.html
Einen weiteren Text dieser Gruppe mit dem Titel
"The
Magical Retroviruses: Now you see them, now you don’t", der eine
kurze und gut verständliche Beschreibung von MLVs enthält,
finden Sie im
Oktober-12-2-Artikel
in deutscher Fassung.
Eine weitere kritische Stimme findet sich in
einem Blog von Jamie Deckoff Jones
"Now you see it, now you don't" , den Sie im
Oktober-12-2-Artikel auf deutsch
finden.
Und lesen Sie auch Michael Snydermans Kommentar
zu dieser Studie, ebenfalls im Artikel des Monats
Oktober 12-2.
Auch wenn die Original-Science-Studie und auch
die
Prostatakrebs-Studie zurückgezogen wurden, bleibt das Faktum
bestehen, dass XMRV/MLV ein Retrovirus ist, das Mäuse und zwei Arten
von Primaten befallen kann. Und diese Gammaretroviren haben
interessante biologische Eigenschaften, die beispielsweise für die
Krebsforschung von Bedeutung sind.
Für Fachleute hier noch
zwei interessante Studien:
> NF-kappaB
activation stimulates transcription and replication of retrovirus XMRV in human
B-lineage and prostate carcinoma cells. Sakakibara S, et al., J Virol. 2011
Apr;85(7):3179-86. Epub 2011 Jan 26.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/m/pubmed/21270144/
> A
human B-lymphoblastoid cell line constitutively producing Epstein-Barr
herpesvirus and JHK retrovirus.
Grossberg SE,
Kushnaryov VM,
Cashdollar LW,
Raisch KP,
Miller G,
Sun HY. Res
Virol. 1997 May-Jun;148(3):191-206.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9201810
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